Jahresregister 2011

Schwerpunkte

spw 187 – 06/11

„Mehr Demokratie wagen“ – aber wie?

Wer hätte gedacht, dass nach den monatelangen Protesten, der gescheiterten Mediation, dem Aufkommen des „Wutbürgers“ zum Ausdruck und Identifikationsfigur heutiger demokratischer Krisenphänomene und dem „Sturz“ des konservativen Stammlandes Baden-Württembergs durch einen grünen Ministerpräsidenten als höchsten Partner im Ländle gegen Stuttgart 21 eben jenes Projekt bei der Volksabstimmung Ende November nicht nur im Bundesland insgesamt, sondern auch in Stuttgart selbst mit rund 53 zu 47 Prozent das Wohlwollen der Bevölkerung erfahren und die parlamentarische Beschlusslage letztlich bestätigt werden würde. Der Unterschied zwischen gefühlter sowie realer gesellschaftlicher Mehrheit fiel wohl selten weiter auseinander.


spw 186 – 05/11

Follow the money! Handlungsfähiger Staat

In Zeiten, in denen Milliarden-Rettungspakete für Banken geschnürt werden, aber in kaum einer Kommune mehr Geld für ein öffentliches Schwimmbad vorhanden ist, stellt sich die Frage, wie ein solidarisches und wirtschaftlich erfolgreiches Gemeinwesen zukünftig finanziert werden kann.
Die öffentliche Verschuldung ist in Deutschland auch aufgrund der Banken-Rettungspakete gestiegen. Nach einem beinahe ausgeglichenem Haushalt im Jahr 2008 betrug die gesamtstaatliche Neuverschuldung 2009 über 70 Mrd. Euro und 2010 über 80 Mrd. Euro. Der Schuldenstand betrug Ende 2010 83,2 Prozent des BIP. Gleichzeitig wird beklagt, dass die öffentliche Infrastruktur marode ist. Nichtzuletzt angesichts schlechter personeller und baulicher Ausstattung von Schulen und Hochschulen, handlungsunfähiger Kommunen und Schließungen von sozialen und kulturellen Einrichtungen sowie eines enormem Investitionsbedarf etwa für den ökologischen Umbau der Industriegesellschaft sind die Forderungen der FDP nach Steuersenkungen unverständlich und sachlich falsch. Ohnehin hat Deutschland bereits heute eine der niedrigsten Steuerquoten unter den Industrienationen. Eine noch geringere Steuerquote ist kein Wert an sich. Es besteht die Gefahr, dass sie zu Lasten eines Staates, der seine Aufgaben für die Menschen nicht mehr angemessen erfüllen kann, gehen würde.


spw 185- 04/11

Neue Weltordnung – Lateinamerika

Lateinamerika, im 20. Jahrhundert Versuchslabor für die neoliberalen Strategien des Westens, hat auf die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts Strategien entwickelt, die im Rahmen einer sozialistischen Politik auch für Europa diskussionswürdig sind. Die Polarisierung der Gesellschaft, die von der Finanzwirtschaft bedrängten Staaten und eine Politik, die ihr Heil in der Entpolitisierung sucht, machen es notwendig, sich auch im internationalen Rahmen umzuschauen, wie ein Gesellschaft wieder zusammenfinden und Demokratie als umfassendes Strukturprinzip für alle gesellschaftlichen Bereiche dienen kann. Entsprechend macht es sich der Heftschwerpunkt Lateinamerika in der Reihe Neue Weltordnung zur Aufgabe, progressive soziale und ökonomische sowie demokratiefördernde Entwicklungen aufzuzeigen.


spw 184 – 03/11

„Fly me to the moon…” – Mobilitätspolitik der Zukunft!

Elektromobilität, Stuttgart 21, S-Bahn Berlin, Bahnstreiks sowie Sommer-, Winter, Herbst-Chaos bei der Bahn sind beinahe tägliche Bestandteile der öffentlichen Berichterstattung. Der Ausbau und die Weiterentwicklung der Verkehrsinfrastruktur, die Privatisierung der Deutschen Bahn – oder einzelner Tochterunternehmen – die Trennung von Netz und Betrieb, der sogenannte Recast der europäischen Bahnpolitik, LKW- und PKW-Maut, Gigaliner, die Liberalisierung des Buslinienfernverkehrs, die Ausschreibung von Schienen- und Busverkehren, die Privatisierung von Nahverkehrsunternehmen, die Novelle des Allgemeinen Eisenbahngesetzes, des Personenbeförderungsgesetzes sowie des sogenannten Regionalisierungsgesetztes bestimmen die alltägliche verkehrspolitische Debatte.


spw 183 – 02/11

Risiko Rente? Stand und Zukunft der Alterssicherung

„Die Rente ist sicher“. Diese Aussage, einst (1986) von Bundessozialminister Norbert Blüm (CDU) ausgegeben, ist wohl die bekannteste öffentliche Äußerung zum System der Alterssicherung. Sie ist insbesondere deshalb so berühmt geworden, weil heute niemand mehr so recht an die Zukunftssicherheit der Rente glauben mag. Vielmehr wurden die Worte Blüms durch zahlreiche faktische Rentenkürzungen relativiert. Heute müsste sie lauten: Die gesetzliche Rente ist sicher, führt aber nicht zu einer ausreichenden Absicherung im Alter. Auskömmliche Rentenleistungen, so heißt es, werden für die kommenden Renten-Generationen vielmehr nur noch im Zusammenspiel der drei Säulen der Altersvorsorge zu erzielen sein: der gesetzlichen Rente sowie der betrieblichen und privaten Altersvorsorge. Doch trifft das auch zu und wenn, für wen?


spw 182 – 01/11

Politik und Ökonomie des Internets

„Wettrüsten für den Krieg im Internet“ titelt die Financial Times Deutschland am 7. Februar und der Leitartikel dazu fragt: Sind jetzt alle Missetaten im Internet bereits ein Kriegsakt in Zeiten des Cyberwars? Stuxnet, der Wurm, der die iranischen Atomanlagen befallen hat, mag in so eine Kategorie passen. Die Jugendlichen, die illegal Musik downloaden, begehen hingegen möglicherweise Straftaten gegen das geistige Eigentum, aber nicht mehr. Wikileaks dagegen hat wohl letztlich einfach der weitestgehenden Interpretation des Free Information Act vorgegriffen, als es tausende von Botschaftskabeln veröffentlichte. Das Medium Internet hat es Wikileaks ermöglicht, dieser Datenmenge habhaft zu werden. Einmal im Internet veröffentlicht, dürfte es zudem nahezu unmöglich sein, diese jemals wieder unter Verschluss zu bringen. Auch die Banker, die mittels digitalen Handelsplätzen komplexe Finanzprodukte über dem Erdball verstreuten, stehen nicht qua Technologienutzung im Fokus von Gerichtsverfahren. In polit-ökonomischer Sicht hat das Internet mit zur Herausbildung des neuen Paradigmas des finanzmarktgetriebenen Kapitalismus beigetragen. Ohne die Möglichkeiten globaler Vernetzung in Echtzeit wäre eines der bestimmenden Prinzipien – die Ausbeutung von Zeit bei der Spekulation – nicht möglich.